Maui Deck: Neuer Klettergarten auf der Nordkette
Generell muss man erst einmal festhalten: Die Nordkette ist ein ziemlicher Bruchhaufen, so ganz im Generellen. Denn das Karwendel, dessen südlichster Ausläufer eben die Nordkette ist, die eigentlich Inntalkette heißt, was aber kaum jemand weiß, ist eben ein Kalkgebirge und nicht gerade für seine bombastische Festigkeit bekannt. „Karwendelbruch“ hat sich im lokalen Kletterjargon etabliert, vor allem wenn man an die teuflisch mächtigen Wände wie die Laliderer Nordwand weiter hinten denkt. Trotzdem wird hier seit jeher vertikale Geschichte geschrieben – und viel geklettert. Was nicht zuletzt an der leichten Erreichbarkeit und an der geografischen Nähe zur Climbers Paradise Welthauptstadt Innsbruck liegen dürfte. So nah, dass man täglich auf die Nordkette schaut. Und mit der ikonischen Nordkettenbahn auch ziemlich schnell direkt vom Zentrum weit, weit hinauf kommt.

Erstaunlicherweise finden sich aber in diesem Meer aus Grau aber auch kleine Inseln an Gestein, die überraschend fest sind. Bombenfest sozusagen, der größte Klettergarten dieser Art liegt in Rufweite zur Bergstation Seegrube auf 1.900 Metern. Oben auf der „Gruab’m“, wie die Innsbrucker liebevoll sagen, wurde vor einigen Jahren die Kletterarena Seegrube eingebohrt, die mit ihrem steilen, scharfen Lochfels vor allem Kletterer mit viel Hornhaut und dicken Unterarmen anzieht.
Die Insel im Meer aus Grau
Und dann kommt Johnny und findet, dass es hier noch mehr Routen geben müsste. Denn einmal hat er beim Abstieg von den Mehrseillängen-Touren an der Westlichen Sattelspitze eine neue Insel entdeckt, in diesem Meer aus Grau, eine Insel mit genialen Lochfelsen und Wasserrinnen, die so beeindruckend sind, dass sie glatt aus Südfrankreich stammen könnten. Die Insel ist paradiesisch – fast wie seine Heimat Hawaii, der er vor vielen Jahren schon den Rücken gekehrt hat, um hier in Innsbruck eine neue Heimat zu finden. „I bin einfach unheimlich gerne da, für mi des perfekte Platzl“, sagt er in fast perfektem Tiroler Dialekt.





Nicht selten wird Johnny schräg angeschaut, wie er ausgerechnet von Hawaii, dem Paradies auf Erden, nach Mitteleuropa ziehen kann. “Na ja, es ist schön dort, aber irgendwann wird es zu eng auf den Inseln. Und die sind einfach so verdammt weit weg von allem. Hier in Innsbruck bin ich mitten in den Alpen, das gefällt mir viel besser“, sagt der Lehrer für Englisch und Spanisch, der mit seiner Frau und seinen zwei kleinen Kindern hier seine Familie gegründet hat. „Und die ganze Kultur!“
Insgesamt ein Duzend Mal stiefelte Johnny schwer beladen mit Seil, Bohrmaschine und Expansionsbohrhaken hier rauf. „Für mich war es eine Art Entspannung, nach der Arbeit noch einmal hier hochzukommen und ein paar Haken zu setzen. Diese Ruhe hier oben, der Blick über ganz Innsbruck und bis zu den Gletschern des Alpenhauptkammes, das ist gigantisch.“ Oft hatte Johnny auch sein Mountainbike in der Nordkettenbahn dabei, das er an der Bergstation abstellte, um nicht auf die letzte Gondel angewiesen zu sein. „Das ist überhaupt total genial, dann ist man am Abend komplett alleine hier oben, kann noch gemütlich runterrollen und an der Umbrüggler Alm einen köstlichen Kasknödel essen, perfekt“, grinst er.
Willkommen am Maui Deck
Natürlich ist es auch das Hinterlassen von Spuren, das die Erstbegeher motiviert. In der Kletterszene ist es üblich, dass der Erstbegeher einer Route dieser auch einen Namen gibt. Und hier verschweigt Johnny seine hawaiianischen Wurzeln keineswegs, sondern nutzt die Namensgebung als imaginäre Verbindung zwischen seinen Welten. So gibt es nun an der Tiroler Nordkette Routen mit den klangvollen Namen „Humuhumunukunukuapua’a“ (6a, 15m), „Haleakala“ (6b+, 25m) oder das Wasserrillenwunder „Jaws“ (6b, 34m). Insgesamt heißt der Klettergarten nun Maui Deck, in Anlehnung an die bereits bestehenden Sektoren Sonnendeck und Zwischendeck.

Auf die Frage, warum man sich eine solche Arbeit überhaupt antut, lächelt er nur kurz. „Na ja. Ich glaube es geht mir schon darum, der Community etwas zurückzugeben. Nicht nur zu konsumieren, sondern auch zu produzieren.“ Und das ist auch das, was wir am Klettern so lieben: Jeder hat die Freiheit, sich kreativ auszutoben, Neues zu schaffen und anderen zur Verfügung zu stellen, kostenlos und ohne Zwang.
Thanks, Johnny!
Topo (PDF): Maui Deck, Nordkette
Die Anzahl der Routen ist nicht geradehoch, dafür aber die Qualität umsomehr. Die Kulisse ist großartig und derZustieg angenehm. Dafür muss man denwenig idealen Wandfuß in Kauf nehmen.
- Zustieg: Mit der Bahn zur Seegrube,danach ca. 35 Minuten in westlicherRichtung zum Schmidhuber Steig (ausgeschildert). Der Kogel liegt oberhalb des Weges. Durch die Rinnehinaufsteigen und in der Mitte rechtsüber Grasstufen zum Wandfuß. Vorallem beim Absteigen ist aufmerksames Steigen geboten.
- Material: 70m Seil, 15 Exen (ein paar längere), Standschlinge.
- Eingerichtet von: Johnny DeMaine 2023/2024.
Routen:
- Humuhumunukunukuapua’a, 6a, 15m – vielleicht schwieriger zu sagen als zu klettern. Lohnend.
- Hana Hou, 6b/+, 20m – Weiter Zug nach links am 3. Bolt.
- Haleakala, 6b+, 25m – Sehr schön.
- Aloha, 5a, 28m Zustiegs/Zugangslänge.. Kante, dann links raus
- Wahini, SL1: 4a SL2: 6b Steil aus dem Stand. Coole Schuppe.
- Maui Waui, 6c, 34m – Lang und anhaltend. Wunderschöne Felsfahrt durch die ganze Wand.
- Da Kine, 7a/+, 34m – Kleingriffiger Verbindungsweg.
- ‘Ohana, 6b, 34m – Sehr schöner Einstieg zu den oberen Ausstiegen
- Shaka, 5b, 34m – Löcher.
- Ono, 5c, 34m – Löcher und Platte.
- He’e Nalu, 6b, 34m Wasserrillen.
- Jaws, 6b, 34m – Tiefe Wasserrillen.