Peter Habeler Portrait (Simon Schöpf)

Peter Habeler: Meister der Reduktion

Leicht und schnell auf Achttausender, in Rekordzeit durch die Eiger-Nordwand: Warum für Peter Habeler auch bei Skitouren in den Zillertaler Alpen ein leichter Rucksack und ein klarer Kopf am wichtigsten sind.

Das gerahmte Foto zeigt einen Menschen, der mit roten Gamaschen, einem Rucksack am Rücken und einem Pickel in der Hand eine ziemlich steile Schneeflanke quert. Kein Seil verbindet ihn mit dem Fotografen, aufgenommen wurde es im Jahre 1975. Die Worte „Hidden Peak Nordwand … 8068 m“ sind mit grünem Stift dazugekritzelt. „Tjo, ausrutschen darfst da halt nimma, sonst bist weg“, sagt eine Stimme im Zillertaler Dialekt. Der Mann auf dem Foto heißt Reinhold Messner. Und die Stimme gehört Peter Habeler, er hat das Foto damals geschossen. Es hängt in seinem Haus in Finkenberg wischen CD-Ständer und Flatscreen, er knipst ein Wandlicht an, damit man die Details besser sehen kann.

Peter Habler 2020 in seiner Wohnung in Finkenberg (Foto: Simon Schöpf)

„Er is‘ einfach g’stiegen wie kein Zweiter“, sagt Peter Habeler und lässt sich wieder auf das Bankerl vor dem eingeheizten Kachelofen nieder. Das Bild ist per se nicht weiter spektakulär, ein hübsches Bergsteigerbild, das auch irgendwo in den Alpen aufgenommen worden sein könnte. Aber dieses Bild verkörpert Alpingeschichte. Wegen dem Rucksack, den der Reinhold trägt, wegen dem, was drin ist. Oder mehr noch, wegen dem, was eben nicht drin ist: Keine Sauerstoffflasche, kein großes Zelt für ein Hochlager, kein Proviant für eine ganze Mannschaft. Nur das Allernötigste und eben das, was eine Person auf über 8.000 Meter aus eigener Kraft schleppen kann. Der Seilschaft Messner/Habeler gelang 1975 etwas, was man bisher nur aus den heimischen Bergen kannte: Sie bestiegen einen Achttausender im Alpinstil. Zu zweit, ohne mannes- und trägerstarke Expedition. Ihr Erfolgsrezept: Light & fast, sie waren die Meister der Reduktion.

Wir sind alle überladen

Man darf dem Peter Habeler deshalb glauben, wenn er sagt: „Die meisten Menschen sind heutzutage vollkommen überladen.“ Er meint das auf zwei Ebenen: Erstens materialtechnisch, und zweitens im Kopf. Von der Ausrüstung her war die Reduktion eine Notwendigkeit, „… weil sonst kommst ganz einfach nicht durch die Wand. Dem Reinhold hat man damals sogar nachgesagt, er hätte die Zündhölzer abgebrochen, um Gewicht zu sparen. Das ist natürlich Blödsinn, aber der Gedanke stimmt!“ Die mentale Reduktion ist da schon schwerer zu fassen, es geht Peter Habeler um das vielbeschworene Leben im Moment, um den Fokus, um ein klares Sehen und ein ehrliches Staunen. Die Gerätschaft, die dieser Tage mit wohl großem Abstand den Aufmerksamkeitsabsaugungs-Wettbewerb gewinnt, ist das Smartphone. „Natürlich, für Notfälle gehört das Handy auch in den Rucksack. Aber wenn ich heute auf’s Tuxerjochhaus komme, sitzt effektiv jeder zweite mit so einem Gerät in der Hand da. Links der Germknödel, rechts das Handy. Ich frag mich immer: Was will er eigentlich wissen?“

Peter Habler meets David Lama, Fotoalbum. (Foto: Simon Schöpf)

Ja, was wollen wir eigentlich wissen? Peter Habelers Einschätzung ist, dass wir mit der schieren Fülle an Informationen einfach nicht mehr zurechtkommen, damit sogar vollkommen überfordert sind. Und dass vielen eine Reduktion im Kopf sehr gut bekommen würde, gerade am Berg. „Ich bin ehrlich gesagt froh, dass wir das ganze Zeugs damals noch nicht hatten“. Und macht einen erzählerischen Schwenk, wie er es so gerne tut, direkt in die Eiger Nordwand. „Alles, was wir vor unserer Besteigung 1969 hatten, war eine Postkarte vom Eiger, auf der war die Route skizziert. Erstes Eisfeld, zweites Eisfeld, Todesbiwak, Götterquergang, die markanten Punkte eben.“ Habeler sollte den Eiger in neuer Bestzeit durchsteigen, in knapp neun Stunden. „Und wenn man schaut, was manche Leute heute schon auf eine Wald- und Wiesenskitour mitschleppen …“

Einfach eine schöne Spur machen

Peter Habeler kann seine Bergphilosophie in beachtliche vier Worte kondensieren: „Keep it simple, stupid!“ Das supid könnte man sogar auch noch getrost wegrationieren, dann sind wir bei drei Worten. Keep. It. Simple. Diese wiederholt er oft und gern, die Punkte nach jedem Wort mitbetont. Und diese Philosophie gilt im besonderen Maße auch für seine liebste Freizeitbeschäftigung im Winter, dem Skitourengehen. Einer Leidenschaft, der er schon seit den frühen 60er Jahren nachgeht, damals war vom heutigen Boom freilich noch nichts zu merken. „Am allermeisten hab‘ ich immer genossen, im Aufstieg einfach eine schöne Spur zu legen. Eine dem Gelände perfekt angepasste Spur. Eine, auf die man dann vom Gipfel stolz herunterblicken kann!“ Der Skitourensport ist einfach „bärig“, wie er es nennt – die schönen Bewegungen, gelenkschonend, gut für die Gesundheit. Sofern man eben seine drei Worte bedenkt: Keep it simple!

Mit leichtem Rucksack und klarem Kopf macht es einfach am meisten Spaß. „Man muss ja nicht gleich in der Lodenhose und mit Zwei-Meter-Latten losmarschieren, so wie früher. Aber man hat heute halt gern ein bisschen zu viel des Guten mit dabei.“ Reduzieren! Und dafür ein wenig länger gehen: „Im Winter marschier‘ ich fast jeden Tag zwei bis drei Stunden mit den Skiern. Als Pensionist bin ich inzwischen nur mehr für Skitouren zuständig“, sagt er. Das braungebrannte Gesicht, aus dem sein Lächeln stahlt, ist der Beweis, dass er es ernst meint. Überhaupt scheint Peter Habeler nicht in dem Maße gealtert zu sein, wie man es von einem inzwischen 78-Jährigen erwarten würde. Ein Schlüssel dazu ist bestimmt auch das viele Sein an der frischen Luft, hoch oben in den Bergen. Und die regelmäßigen Skitouren durch seine geliebten Zillertaler Berge. So oft wie möglich, so reduziert wie nötig.

Skitouren-Tipps von Peter Habeler

Ahornspitze

Auch wenn Peter Habeler betont, er habe keinen Lieblingsberg: Auf die Ahornspitze geht er oft und gern.

  • Länge: 4,4 km
  • Dauer: 4h
  • Höhendifferenz: 1.330 Meter
  • Maximale Höhe: 2.973 Meter
  • Steilheit: max. 35°
  • Geländeform: Weite Mulden, steile Rinnen, ausgesetzter Grat
  • Startpunkt: Ahornbahn Bergstation

Charakteristik

„Einfach ein sehr logischer Aufstieg“, meint Peter Habeler zur dieser Tour. Mächtig thront die Ahornspitze direkt über Mayrhofen, wenn man direkt im Ort auffellt, bekommt man mit 2.300 Höhenmetern eine der längsten Skitouren der Ostalpen. Bequemer ist der Start von der Bergstation unterhalb des Filzenkogels, „auch ich fahr‘ da gern mit dem Lift hinauf, das ist schon schöner, von oben zu starten“, meint der Extrembergsteiger. Bei perfekten Verhältnissen locken die nordseitigen Kare mit endlosen Abfahrsvergnügen.

Routenverlauf

Von der Bergstation auf den Filzenkogel (2.227 m), dann Abfahrt nördlich in das Föllenbergkar. Im Kar rechtshaltend in einem Bogen unter die Westflanke der Ahornspitze. Am Ende nach rechts auf den Kamm der Popbergschneide (2.700 m). „Den Südwestgrat stapfst dann flott auffi“, meint Peter, alpine Erfahrung ist hier aber Voraussetzung.

Abfahrt

„Wenn die Verhältnisse passen, gibt’s fast nichts Lässigeres als die Abfahrt in den Zillergrund runter. Aber da musst echt vom Schnee her Schwein haben!“ Auf phantastische 2.500 Abfahrtsmeter kommt man mit dieser Variante. Normal wird auf dem Aufstiegsweg wieder abgefahren.

Einkehr

Eine Stärkung nach der Tour – zumindest wenn man ins Skigebiet zurückfährt – gibt es im gemütlichen Bergrestaurant Ahornhütte.

Rastkogel (2.762 m)

„Am Gipfel des Rastkogels kann man einfach ausgezeichnet rasten und das Panorama genießen, vielleicht heißt es deshalb so!“, meint Peter Habeler. „Vielleicht geht‘ ich deshalb so gern auf“.

  • Länge: 10 km
  • Dauer: 5h
  • Höhendifferenz: 1.050 Meter
  • Maximale Höhe: 2.762 Meter
  • Steilheit: max. 30°
  • Geländeform: Offenes Gelände
  • Startpunkt: Parkplatz bei der ehemaligen Atlas Sportalm

Charakteristik

Der pyramidenförmige Rastkogel in den östlichen Tuxer Alpen bietet rundherum schöne Tourenmöglichkeiten, wie auch die benachbarte Halslspitze. „Gut Sonne bekommt man da schon ab, deshalb macht man die Tour am besten nach Neuschnee oder bei sicheren Firnverhältnissen im Frühjahr“, weiß Peter Habeler.

Routenverlauf

Vom Ausgangspunkt bei der Atlas Sportalm folgt man ein kurzes Stück der Mautstraße und quert dann bei der ersten Kehre in die freien Hänge des Schafleitenalm Hochlegers. An der Rastkogelhütte vorbei nun den markanten Talverlauf hoch über den Sidanbach zu den Sidanseen. Über die breite Karmulde geht es zum markanten Gipfelhang des Rastkogels.

Abfahrt

„Das Schöne am Rastkogel: Wegen des großzügigen Geländes findet man hier meist noch Platz für eine schöne Spur!“, sagt Peter Habeler. Entlang der Aufstiegsspur gibt es zahlreiche Möglichkeiten.

Einkehr

Die Rastkogelhütte (2.124 m) ist meist von Anfang Dezember bis kurz nach Ostern für Skitourengeher geöffnet. Ein ausgezeichnetes Basislager für alle, die noch mehr Berge in der Umgebung erkunden möchten.


Artikel erstmals erschienen im Bergwelten Magazin.

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